Pressemitteilung – Anmerkungen zum Thüringer Schulgesetzesentwurf
Seite 9:
§ 45 a Abs. 1 Satz 2, Die hier genannten technischen Voraussetzungen für eine
digitale Lernumgebung können unseres Erachtens nach nicht vom Lehrkörper
überprüft werden. Zum anderen ist es auch für Schülerinnen schwer nachzuweisen, dass diese nicht gegeben sind. Dadurch kann eine hier geforderte Regel zur verpflichtenden Teilnahme mit Bild und Ton nicht funktionieren. Vielmehr stellt sich uns die Frage, wie man sich diese Regel konkret vorgestellt hat. Kann bei der Bildaufnahme der Hintergrund ausgeblendet werden? Muss das Mikrofone ständig angeschaltet sein oder kann es stumm geschaltet werden?
Seite 11: Wir begrüßen die Idee dahinter, jedoch stellen sich uns hier einige Fragen. Dürfen die Schülerinnen das digitale Endgerät nur in der Schule nutzen oder darf es auch
im Privaten genutzt werden? Bekommen andere Klassenstufen ebenfalls die
Möglichkeit mit zur Verfügung gestellten digitalen Endgeräten zu lernen? Ein
zusätzliches Problem aus diesem Paragraphen sehen wir bei der Instandhaltung der
neu angeschafften Technik. Dafür benötigt es speziell geschultes Fachpersonal,
welches sich mit der IT dahinter auskennt und beschäftigt. Wir fordern deshalb
mehr Schuladministratorinnen zur Entlastung der Lehrkräfte und Schulleitungen. Um digitale Endgeräte zuverlässig im Unterricht nutzen zu können, ist eine ständige Wartung essentiell!
Seite 26: Absatz 4 begrüßen wir, da der Anteil am digitalen Lernen an Schulen stetig steigt und somit die Chancengleichheit für jedes Kind bewahrt werden muss. Die letzten 3 Jahre haben uns aufgezeigt, dass die große bürokratische Hürde beim Abrufen der Gelder vom Digital Pakt dazu geführt hat, dass dieses Potential nicht vollumfänglich ausgeschöpft worden ist, obwohl Bedarf und Nachfrage gegeben waren. Seite 27: Wir begrüßen das Modell des Distanz- und Hybridunterrichts in bestimmten Aspekten. Allerdings lehnen wir den lehrkraftübergreifenden Unterricht strikt ab. Jeder Lehrerin weist eine individuelle Unterrichtsstruktur vor, an diese sich Schülerinnen mit der Zeit gewöhnen. Wir sehen vor allem bei der Vermischung von
unterschiedlichen Lehrerinnen von unterschiedlichen Schulen die Gefahr, dass sich Lehrerin und Schülerin gegenseitig nicht kennen. Dies führt dazu, dass viele Schülerinnen ihre Lernmotivation verlieren und die Unterrichtsbeteiligung
abnimmt.
Vor allem das individuelle Eingehen auf Schülerinnen kann dadurch kaum umgesetzt werden. Dies ist jedoch die Grundlage einer jeden guten LehrerinnenSchülerinnen-Beziehung. Erschwerend kommt hinzu, dass jede Schule ihr individuelles Lehrmaterial besitzt. Seite 28: Um die oben genannte Lehrerinnen-Schüler*innen-Beziehung auch im
Distanzunterricht zu stärken und zu fördern, muss dafür aktiv Zeit geschaffen und
ebenso Raum zur Verfügung gestellt werden. Unter Anderem halten wir die im
Präsenzunterricht praktizierte zwischenmenschliche Interaktion für sehr wichtig zur
individuellen Entwicklung eines jeden Schülers und einer jeden Schülerin an. Dabei
muss man sich zwangsläufig von dem starren Konzept der frontalen
Unterrichtsvermittlung distanzieren.
Schulsozialarbeit:
Antrag „Inklusive Schulentwicklung in Thüringen weiter unterstützen“ (LINKE, SPD,
GRÜNE)
Die vergangenen Corona-Jahre haben uns nicht nur die Notwendigkeit von
Digitalisierung aufgezeigt, sondern ebenso die Relevanz von
Schulsozialarbeiterinnen an Schulen. Die Zahl an Schülerinnen, welche neu an
psychischen Erkrankungen erkrankt sind, ist besonders in dieser Zeit immens
angestiegen. Doch noch immer besitzen nur die Hälfte der Thüringer Schulen
Schulsozialarbeiterinnen. Diese sind jedoch vor allem in der Pandemiezeit unabdingbar geworden und tragen zu einem guten Schulklima in der Schule bei. Die Schulsozialarbeit baut über Jahre ein Netzwerk an Vertrauen zu den Schülerinnen auf, welches diverse Vorteile mit sich bringt. Diese Beständigkeit
muss in Zukunft noch stärker gefördert werden. Das ist nur möglich, wenn jede
Schule einen Schulsozialarbeiterin hat, welcher für einen langen Zeitraum an der Schule arbeitet. Für ein solches Gelingen ist der Aspekt der Finanzierung wichtig zu beleuchten. Dieser muss langfristig bedacht sein und sollte weniger von dem Etat der einzelnen Kommunen abhängig sein. Schulsozialarbeit sollte immer ein fester Bestandteil des Landeshaushaltes sein. „Aufholen nach Corona“ legte in der Pandemiezeit den ersten „Grundstein“ dafür. Um diese Gelder effizient zu nutzen, befürworten wir entsprechende Bedarfsanalysen, welche mit bestimmten Indikatoren erstellt werden. Jedoch sollten die Bedarfsanalysen ihr Hauptaugenmerk darauf lenken, welche Schule mehr als nur eine Schulsozialarbeiterinnenstelle benötigt. Des Weiteren wurde in der
vergangenen Zeit oft argumentiert, dass zum Beispiel Gymnasien weniger
Schulsozialarbeiter*innen bräuchten, als Berufsschulen oder Hauptschulen. Es muss
jedoch auch hervorgehoben werden, dass Gymnasien einen hohen Bedarf an
Schulsozialarbeit haben. Auch dieser muss finanziell abgedeckt werden.
Das Aufgabenfeld der Schulsozialarbeit umfasst nicht nur die Einzelbetreuung in
Problemfällen, sondern stärkt durch Projektarbeiten das Schulklima und arbeitet
außerdem präventiv. Diese projektbezogene Arbeit kommt aufgrund der nicht
ausreichenden Stundenzahl häufig zu kurz. Aus unserer Sicht sollte ebenfalls die
Stundenzahl der Schulsozialarbeit an den weiterführenden Schulformen erhöht
werden. Weitere externe Anbieter wie z.B. die Drogenberatung müssen stärker
gefördert werden, so dass sie verstärkt an Schulen eingesetzt werden können.
Lehrerbildungsgesetz:
Im Rahmen des Lehrerbildungsgesetzes ist zu bedenken, dass bei aller
Heterogenität der auszubildenden Lehrerinnen, sowie der Schulart- und der Schulstufen bezogenen Einsatzbereiche eine gewisse Einheitlichkeit im Anspruch der Ausbildung anzusetzen ist. (Seite 29; Zu Artikel 2; zu Nummer 1) Bei dem Lehramtsstudium ist hierbei wichtig zu sagen, dass noch mehr Wert auf die pädagogische Ausbildung und soziale und empathische Kompetenz zukünftiger Lehrerinnen gelegt werden sollte. Der Fokus sollte nicht nur auf dem Fachwissen
liegen, sondern ebenso auf dessen Vermittlung.
Dabei sind die unterschiedlichen Anforderungsprofile der Schülerinnen verschiedener Schularten stets zu berücksichtigen. Daraus ergibt sich für uns, als Landesschülervertretung, der Wunsch nicht wie in Artikel 2 (Änderung des Thüringer Lehrerbildungsgesetzes) zu Nummer 1 beschriebene schulstufenbezogene, sondern weiterhin eine schulartbezogene Lehrerausbildung beizubehalten. Dies kann einen großen Vorteil bei der Planung von Vertretungsstunden bieten. Es ist wahrscheinlich einfacher, dass eine Lehrperson innerhalb der Schule verschiedene Klassenstufen vertritt, als in den Schularten kurzfristig zu wechseln. Wir können den Gedankenansatz nachvollziehen, dass man die Lehrerinnen durch
eine schulstufenbezogene Ausbildung flexibler einsetzen kann und dadurch akuten
Lehrerinnenmangel an bestimmten Schularten schneller ausgleichen kann. Wie können Seiteneinsteigerinnen, Assistenzkräfte und weitere Externe
pädagogisch ausgewogen und mit entsprechend universitärer Arbeitsteilung den
ihnen anvertrauten Schüler*innen das Fachwissen nachhaltig beibringen, wenn es
ihnen teilweise an einem gewissen Maße grundsätzlicher Pädagogik mangelt? (Seite
30; Zu Artikel 2 ; zu Nummer 9) Deshalb sind wir der Meinung, dass besonders
Seiteneinsteiger und Assistenzkräfte zusätzlich verstärkt berufsbegleitend
pädagogisch ausgebildet werden müssen. Es darf kein Zufallslos sein, ob ein
Seiteneinsteiger oder Assistenzkraft pädagogisch für den Schuldienst geeignet ist.
Noch immer hängt es zu sehr von den persönlichen Talenten der jeweiligen Person
ab, ob diese ihr Fachwissen pädagogisch vermitteln kann. Um den Lehrerberuf für
Seiteneinsteiger und Assistenzkräfte weiterhin attraktiver zu gestalten, sollten diese
in der Wertigkeit den Lehrern gleichgestellt sein, jedoch sollte dies nicht leichtfertig
geschehen.
Inklusion:
Antrag „Kinder in den Mittelpunkt stellen- für starke Förderschulen und
hochwertigen gemeinsamen Unterricht“ (FDP)
Um Schulen der Zukunft zu entwickeln, sollten Individualität und vor allem Inklusion
ein wichtiger Bestandteil der Planung sein. Leider ist dies nur selten der Fall,
weshalb wir als Landesschülervertretung es sehr begrüßen, die Inklusion
flächendeckend voranzutreiben. Es sollte im Sinne der Behinderten gedacht und
gehandelt werden. Dies gilt vor allem beim Bau von barrierefreien Schulen bzw.
dem Umbau von bestehenden Schulen, auch wenn diese unter Denkmalschutz
stehen. Jenes wird häufig vernachlässigt. Es sollte nicht erst dann ein
funktionierendes und stabiles Geländer an der Treppe angebaut werden, nachdem
der Behinderte von dieser herunterstürzte. Oftmals sind diese Treppengeländer
auch noch zu kurz, so dass die letzte Treppenstufe kein Geländer mehr besitzt.
Genau auf dieses Stück Geländer ist ein körperlich eingeschränkter Mensch jedoch
angewiesen.
Ein weiteres Beispiel ist, dass zwar Rampen an Treppen montiert werden, diese aber
häufig zu steil sind, als dass ein Rollstuhlfahrerin sie selbst bewältigen könnte. Dies sind nur zwei Beispiele von vielen aus der gelebten Praxis von Behinderten an normalen weiterbildenden Schulen. Solche Geschehnisse hätten vermieden werden können, wenn beim Bau ebenfalls Behinderte ihre Fachkompetenz hätten einbringen dürfen. Inklusion muss bis zum Ende durchdacht sein, so dass Kinder mit Einschränkungen am Schulalltag ohne Probleme teilnehmen können! Dies fördert des Weiteren die Akzeptanz eingeschränkter Schülerinnen an den
Schulen. Es darf nicht sein, dass Schülerinnen mit Einschränkung noch immer als Fremdkörper oder als Belastung wahrgenommen werden. Ein wichtiger Bestandteil sind hierbei Schulbegleiterinnen. Diese sollen den Schülerinnen mit Beeinträchtigungen zur Seite stehen und diese bei der Bewältigung des Schulalltages unterstützen. Doch in der Realität treten dabei viele Probleme auf. Schulbegleiterinnen sind oftmals nicht für diese besonderen Anforderungen, die
an sie gestellt werden, ausgebildet und geschult. Dies kann dazu führen, dass sie
den Schülerinnen mit Beeinträchtigungen keine optimalen Hilfestellungen bieten können. Des Weiteren ist es schwer Schulbegleiterinnen zu finden, da sie zu schlecht
bezahlt werden. Die Bewilligung solcher Schulbegleiterinnen muss jährlich beantragt werden und wird trotz rechtzeitiger Beantragung häufig erst im laufenden Schuljahr bewilligt. Dieser Prozess muss grundlegend optimiert werden! Die Optimierung aller soeben genannten Faktoren trägt maßgeblich zum Gelingen von Inklusion an weiterbildenden Schulen bei. Dabei ist es wichtig, die Kommunikation zwischen den inklusiv Beschulten und den zuständigen Gremien bzw. Schulleitungen weiterhin zu fördern. Vor allem ist es wichtig, Aufklärungsarbeit in der Schule voranzutreiben. Oft scheitert Inklusion nicht nur an den baulichen Voraussetzungen, sondern vor allem auch an der Unwissenheit von vielen Pädagoginnen und Schülerinnen über den angemessenen Umgang mit Behinderten. Dadurch kann es oftmals zu Missverständnissen kommen. Ebenso müssen Schülerinnen und Pädagoginnen aufgeklärt werden, dass den Schülerinnen mit Einschränkung auch ein Nachteilsausgleich gewährt werden
muss. Jeder Schülerin braucht dabei seine*n individuellen Nachteilsausgleich, welcher auch von jeder Lehrkraft im betreffenden Fach zu gewähren ist.
Dieser Fakt ist jedoch leider noch lange keine Realität an den meisten Thüringer
Schulen. Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass
Nachteilsausgleich nur das Gewähren von mehr Zeit oder weniger Aufgaben ist.
Pädagoginnen müssen auf die vielfältigen neuen Anforderungen im Umgang mit Menschen mit jeglicher Beeinträchtigung vorbereitet und geschult werden. Erst wenn Lehrerinnen dieses neue Konzept verinnerlicht haben, kann Inklusion an
Schulen funktionieren. Doch nicht jeder dieser Schulformen ist für alle
beeinträchtigten Schüler*innen die optimale Lösung. Um eine solche Entscheidung
zu treffen, ist hierbei der Elternwille sehr entscheidend. Neben der Einschätzung
des Pädagogen oder der Pädagogin sollten Eltern die Entscheidungshoheit besitzen.
Um eine optimale Schulform für ihr Kind mit oder ohne Beeinträchtigung zu finden,
ist es wichtig, dass Kooperationen zwischen verschiedenen Schulformen gefördert
werden und ebenfalls Schulformwechsel weiterhin ermöglicht und vereinfacht
werden.
Aus unserer Sicht müssen allerdings auch Förderschulen weiterhin bestehen bleiben
und finanziell abgesichert sein.